Askese im Wandel der Zeit: Von spiritueller Praxis zur säkularen Selbstkontrolle – Eine historische und gesellschaftliche Analyse
Askese, einst eine spirituelle Praxis zur Läuterung der Seele, hat sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem vielschichtigen Phänomen entwickelt, das heute sowohl individuelle Selbstoptimierung als auch gesellschaftliche Zwänge spiegelt. Dieser Text untersucht die historischen, soziologischen und psychologischen Gründe, warum Askese außerhalb religiöser Kontexte gefeiert wird, und beleuchtet ihre ambivalente Rolle in der modernen Welt. 1. Historische Wurzeln: Von der Aufklärung zur Industrialisierung Die Aufklärung und die Säkularisierung der Askese Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts markierte einen Wendepunkt in der Wahrnehmung von Askese. Philosophen wie Immanuel Kant transformierten den Begriff der Disziplin aus einem religiösen Kontext in ein säkulares Ideal. In seiner Schrift „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ (1784) betonte Kant die Notwendigkeit der Selbstdisziplin, um sich aus der „selbstverschuldeten Unmündigkeit“ zu befreien. Askese wurde hier nicht als Gottesdienst...